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"Dieser bemerkenswerte Tag, auf den ich anspiele, ist der 24. September 2011,
der Tag, an dem im Beisein von Sara Poot Herrera, Marco Aurelio Larios,
beide profunde Kenner der mexikanischen Literatur, und Georg Oswald,
dem Übersetzer, Der Jahrmarkt, die deutsche Version des Buches La Feria,
von Juan José Arreola in Zapotlán el Grande, Jalisco, vorgestellt wurde"
Hariet Quint [Journalistin in Mexiko]

Arreola: die Stimme eines Minnesängers
Foto/ Juan José Arreola. Foto: Archiv
El Occidental, Jalisco, Mexiko
7. Dezember 2011
von Hariet Quint

Im Bann der traditionell kosmopolitischen Atmosphäre Arreolas lauschen wir begeistert der Stimme seines Übersetzers, dem melodiösen Klang des Deutschen und dem Staccato der ersten Sätze von „Der Jahrmarkt“: „Wir sind ungefähr dreißigtausend. Die einen sagen mehr, die anderen weniger. Wir sind seit jeher dreißigtausend.“ Wie ein Minnesänger, bemerkt Claudia Arreola, die wie ich im Publikum sitzt, die Aufmerksamkeit ganz auf das gerichtet, was auf dem Podium gesagt wird. Und die Stimme des Spielmanns fuhr fort mit ihrer tiefen Tonart und erfüllte den schönen und hellen Raum, in dem wir uns zusammengefunden haben. Durch die Glaswände drangen die herbstlichen Sonnenstrahlen und hüllten uns in golden warmes Licht. Die besonders gute Akustik verstärkte den Klang der Wörter und plötzlich vernahm man im Ton des Amtsdeutschen der österreichisch-ungarischen Monarchie die historische und über Generationen reichende Klage des mexikanischen Indios, der sich an alle gehabten und zukünftigen Behörden richtete, um diesen mit hartnäckiger Würde mitzuteilen: „… Ich bin Juan Tepano, der Älteste der Tlayacanques, zu Ihren Diensten: Man hat uns alles weggenommen ...



 


 

Original PDF

Es gibt keinen besseren Ort als das Werkstättenhaus von Juan José Arreola in Zapotlán el Grande, Jalisco, um Juan Tepanos Klage zum ersten Mal in Mexiko auf Deutsch zu vernehmen. Es ist dasselbe Haus, das vormals dem Autor als Landhaus diente, an den Ausläufen eines Bergrückens gelegen, die Stadt zu seinen Füßen ausgebreitet mit dem Vulkan Nevado de Colima und dem Bergsattel namens Media Luna, die sich am Horizont abzeichnen. Heutzutage ist es ein Museum, das einige persönliche Utensilien beherbergt, wie den Umhang, den Hut, die Schreibmaschine und eines seiner Schachbretter. Und was früher einmal die Tischlerwerkstatt des Meisters war, ist zu einem vielfältig einsetzbaren Veranstaltungssaal geworden, in dem literarische Veranstaltungen stattfinden, die von Orso Arreola organisiert werden, der mit Eifer der noblen Aufgabe nachgeht, das Erbe seines Vaters lebendig zu halten und die vielschichtigen und erstaunlichen Facetten der bildenden Kunst bekannt zu machen.

Dieser bemerkenswerte Tag, auf den ich anspiele, ist der 24. September 2011, der Tag, an dem im Beisein von Sara Poot Herrera, Marco Aurelio Larios, beide profunde Kenner der mexikanischen Literatur, und Georg Oswald, dem Übersetzer, „Der Jahrmarkt“, die deutsche Version des Buches „La Feria“, von Juan José Arreola in Zapotlán el Grande, Jalisco, vorgestellt wurde.

Der Übersetzer Georg Oswald war während der Jahre 1995-1998 österreichischer Lektor an der Universität Guadalajara. Mit einer Doktorarbeit, die dem Einfluss Mexikos auf die österreichische Literatur nachspürte, kam Oswald mit einem zweisprachigen und doppelten kulturellen Hintergrund in unser Land. Während seines sehr produktiven Aufenthaltes entstanden drei Übersetzungsvorhaben. Im ersten übersetzte er zusammen mit Marco Aurelio Larios das Theaterstück Katharina Doppelkopf/Catalina Dos Cabezas, das der Verlag Arlequín in seiner Reihe Casa del Payaso 1998 mit der Unterstützung des österreichischen Außenministeriums veröffentlichte.

Das zweite in diesem Jahr abgeschlossene Übersetzungsprojekt war die Übersetzung des Romans „Guerra en el Paraíso“ von Carlos Montemayor ins Deutsche. Der Roman wurde im Original 1991 veröffentlicht und die erste deutsche Version auf Deutsch erschien im Jahr 1998 unter dem Titel „Krieg im Paradies“ mit Unterstützung der Vereins zur Förderung der Literatur aus Afrika, Asien und Lateinamerika im Verlag Schwarze Risse, Rote Straße mit Sitz in Hamburg und Berlin.

Als dritte Übersetzungsprojekt, das während des akademischen Aufenthalts von Oswald in Guadalajara entstand, wurde die deutsche Übersetzung von „La Feria“ von Juan José Arreola gewählt. Die Knochenarbeit dieser Übersetzung blieb acht Jahre lang als Manuskript auf seinem Schreibtisch, weil sich kein deutscher Verlag für den Text interessierte. Die Verleger führten, wie der Übersetzer ausführte, unterschiedlichste Ausflüchte ins Treffen. Und wie schon ein mexikanisches Sprichwort so treffend ausführt: Kein Unglück so groß, es hat ein Glück im Schoß. Während dieser langen Zeit hatte Georg Oswald genug Gelegenheit, an seiner deutschen Version weiterzuarbeiten, bei seinen mexikanischen Freunden über Skype zu lokalen Geschichten und Regionalismen nachzufragen. Und schließlich, nachdem jedes Detail, das den Inhalt und die Sprache betraf, einzeln durchbesprochen worden war, erhielt seine Version ein geschliffenes Deutsch mit österreichischen Zügen, in dem ohne Aussetzer die polyphonen Stimmen, die Arreola seinen Figuren zugewiesen hatte, zum Klingen kommen. Es ist hervorzuheben, dass die deutsche Version keine Fußnoten aufweist, und angesichts der Schwierigkeiten des Textes ist das ein Umstand, der sehr für den Übersetzer spricht, der damit seine rhetorischen Fähigkeiten und linguistischen Kenntnisse unter Beweis stellte, um einen übersetzten Text zusammenzufügen. Aber vor allem zeugt dieses Vorgehen vom kulturellen Einfühlungsvermögen mit dem Autor.

Der literarische Wert von Arreolas Text steht außer Frage. Das spornte Oswald an und gab ihm Durchhaltevermögen bei der Suche nach einem Verlag, der sich des Manuskripts annehmen sollte. Und schließlich stieß er auf einen unabhängigen Verlag namens Septime, der ihm ohne Umschweife sein Interesse bekundete. Auf diese Weise erblickte im Sommer 2010 „Der Jahrmarkt“ von Juan José Arreola in der Stadt Wien das Licht der Welt, in Übersetzung von Georg Oswald, mit den Originalvignetten von Vicente Rojo, veröffentlicht im Verlag Septime mit Unterstützung von FONCA und dem Instituto Cervantes in einer Auflage von 1000 Stück. Das Buch enthält ein Vorwort von Marco Aurelio Larios („Zwei Berge“), das Juan José Arreola in den Kontext der mexikanischen Literatur einbettet und Rulfo sowie Arreola metaphorisch mit den beiden Vulkanen Nevado und Volcán de Colima vergleicht. Darüber hinaus aber stellt Larios den mutigen Vergleich zwischen Goethe und Schiller an, nicht nur um den deutschsprachigen Leser, sondern um eine universelle Leserschaft anzusprechen. Das Nachwort stammt von Marco Antonio Campos, das er „Der Jahrmarkt live“ („La Feria live“) überschreibt. Der Text ist Orso Arreola und Hugo Gutiérrez Vega gewidmet und enthält eine literaturwissenschaftliche Szkizze zum Roman und geht gleichfalls auf bestimmte Parallelen zwischen Rulfo und Arreola ein. Am Ende des Buches gibt es ein Glossar, das der Übersetzer für den deutschsprachigen Leser angefügt hat. Es ist noch anzufügen, dass sowohl Campos als auch Larios Ende der achtziger Jahre und Anfang der neunziger Jahre Lektoren an der Universität Wien waren.

Es ist zweifelsohne eine schöne und sorgfältig gearbeitete Ausgabe geworden. Der Titel im Tiefdruck auf der Vorderseite des harten grünen Buchdeckels, ein schwarzes Lesebändchen, das die beiden Seiten trennt, mit eleganter Typographie, alles das macht dieses Buch zu einem richtigen Kleinod.

Der unabhängige Verlag Septime wurde 2009 in der Stadt Wien gegründet und präsentiert sich verdienterweise als "Das Haus der schönen Bücher" oder "Große Autoren für große Leser". Der Verlag achtet auf Qualität, Eigenheit und Einmaligkeit seiner Bücher und bringt internationale Schriftsteller zum ersten Mal in deutscher Sprache heraus. Sollte einmal das Geld für eine Veröffentlichung knapp werden, dann veräußert der Verleger, außerdem Mechaniker und Oldtimer-Sammler, eines seiner Prunkstücke, um sein verlegerisches Standbein weiterzuführen. Offensichtlich ist es auch in Österreich eher eine Sache der Reputation als des ökonomischen Gewinnstrebens, wenn man Bücher so sorgfältig editiert, als seien sie per Hand gemacht.

„Der Jahrmarkt“ wurde von den Kritikern gut aufgenommen. Von Karl-Markus Gauß stammt eine interessante Besprechung, deren Zusammenfassung auf der Seite von Amazon, auf der das Buch erhältlich ist, gelesen werden kann. Außerdem hat das Buch in diesem Forum eine 5-Sterne Bewertung. Darüber hinaus schaffte der Roman den 4. Platz der 11. Ausgabe von LITPROM, dem Verein zur Förderung der Literatur aus Asien, Afrika und Lateinamerika, 1980 von Journalisten, Übersetzern, Professoren und humanitären Organisationen im Rahmen der Frankfurter Buchmesse gegründet, um den literarischen Dialog zu fördern.

In Österreich wurde das Buch bei mehreren Gelegenheiten vorgestellt. Die Klage von Juan Tepano „...der Älteste der Tlayacanques, zu Ihren Diensten: Man hat uns alles weggenommen...“ wurde im bewegten Ton eines Minnesängers unter anderem auf der Buchmesse und im Cervantes-Institut in Wien vernommen. Und zweifelsohne wird dieser Text auch von dem einen oder anderen Begeisterten exotischer Literaturen gelesen, – ein Ausdruck, den die Europäer für alle von ihnen entlegenen Orte bemühen – irgendwo in dieser kosmopolitischen und einnehmenden Atmosphäre eines Wiener Kaffeehauses.